FC Bayern München gegen Manchester City – dieses Viertelfinal-Duell in der UEFA Champions League ist ein vorweggenommenes Finale, und ein Fest für jeden Spielanalysten.

City: direkt, ruhig, präzise

Starten wir mit dem Gastgeber im Hinspiel: Manchester City, die Mannschaft von Pep Guardiola, der die Bayern von 2013 bis 2016 trainierte und prägte, spielte sich zuletzt in allen Wettbewerben in einen wahren Rausch. Neben den Superstars Erling Haaland und Kevin De Bruyne verfügen die Engländer auf jeder Position über außergewöhnliche individuelle Klasse. Diese spielerische Qualität ist auch nötig, um Guardiola-Fußball umsetzen zu können.

Im Aufbau agierten die „Citizens“ in den letzten großen Spielen, etwa gegen Liverpool in der Premier League oder gegen Leipzig im Rückspiel des Champions-League-Achtelfinales in einem 3-2-4-1. Auffällig ist dabei die Rolle des gelernten Innenverteidigers John Stones: Er platziert sich auf der 6er-Position neben dem Spanier Rodri und bietet mit vielen direkten Pässen Lösungen über das Dreieck an. Aus Situationen gegen hoch pressende Gegner befreit sich Manchester City gewohnt ruhig und mit fast ausschließlich flachen Lösungen. Über ein sicheres Positionsspiel kommen sie so in ihr Übergangsspiel, in dem bis hin zu den Abschlusssituationen viele Automatismen greifen. Hat City die ersten Linien des Gegners überspielt, operiert die Elf gerne mit Seitenverlagerungen auf ihre breiten Außenbahnspieler Riyad Mahrez und Jack Grealish. Beide verfügen über ein hervorragendes offensives Zweikampfverhalten. Von außen chipen die Guardiola-Schützlinge dann auch präzise Bälle hinter die Abwehrreihe auf den zweiten Pfosten. Eine Variante, die Neu-Bayer Joao Cancelo oft wählte, als er noch das City-Trikot trug.

Citys „Waffen“: De Bruyne, Haaland und Klasse

Eine weitere sehr gefährliche Offensiv-Option ist das Hinterlaufen der 8er. Dies ist vor allem eine Spezialität von De Bruyne. Der Belgier findet dann immer wieder seine Mitspieler mit Flanken oder flachen Hereingaben, die häufig zu Toren führen. Oder er schießt aus der zweiten Reihe, wie wir zuletzt in der Champions League beim Tor gegen RB Leipzig zum 7:0-Endstand bestaunen durften. Mit Erling Haaland verfügt City außerdem über einen Stürmer, der als hervorragender Wandspieler agiert und danach sofort in die Tiefe geht. Oder die Kollegen schicken Haaland bereits aus dem Übergangsspiel. Beides ist sehr schwer zu verteidigen.

Manchester City schnürt seine Gegner häufig im letzten Drittel ein und schafft über außen oder durch Schüsse aus der zweiten Reihe viele gefährliche Situationen. Dabei ist die Mannschaft mit Ball dank ihrer hohen individuellen Klasse unglaublich variabel. Das eine Muster gibt es nicht, City ist unheimlich schwer auszurechnen.

Bayerns Gegenmittel: Zweikämpfe, Zielstrebigkeit, Schnelligkeit

Was können die Bayern gegen De Bruyne, Haaland und Co unternehmen? Sie müssen City auch auf der physischen Ebene bekämpfen, sprich sie in viele Zweikämpfe verwickeln und Überzahlsituationen herstellen. Die Bayern sollten Manchesters Spielfreude im Aufbau mit fast ausschließlich spielerischen Lösungen möglichst früh durch ein hohes und aggressives Pressing unterbinden.

Nach Ballgewinnen müssen die Münchner ihre Konter zielstrebig ausspielen. Die Engländer betreiben ein hohes Gegenpressing, was für die Bayern dank ihrer spielerischen Qualität ein Vorteil sein könnte. Durch das starke Verschieben von City auf die Ballseite entstehen große Räume, die die Bayern nutzen können, sofern es ihnen gelingt, den ersten Druck aufzulösen. Dann heißt es: Konter zielstrebig fahren oder den Ballbesitz sichern und das eigene Spiel ruhig aufziehen.

Im Spiel mit Ball sollten die Bayern ihre zuletzt guten Auftritte bis 20 Meter vor dem Tor wiederholen und zugleich torgefährlicher werden. Gegen den Ball agierte City zuletzt in einem 4-4-2 mit zwei gelernten Innenverteidigern als Außenverteidiger. Gerade diese beiden Spieler, John Stones und Nathan Aké, könnten ein Schlüssel zum Erfolg für die Bayern werden. Drücken wir die Daumen, dass sie spielen, denn: In vorderster Linie greifen Citys Außenbahnspieler die gegnerischen Innenverteidiger von außen nach innen an. Dadurch müssen die eigenen Außenverteidiger weit aus der Position schieben, um den Rücken ihrer Vordermänner zu sichern. Zögern sie dabei nur einen Moment, entstehen große Räume, die Spitzenteams eiskalt nutzen. Das geschah zum Beispiel am 1. April gegen Liverpool: Linksverteidiger Aké schiebt zu spät auf seinen Gegenspieler, der deswegen unbedrängt einen gezielten langen Ball hinter die letzte Verteidigungslinie spielen kann. Die Folge: der 0:1-Rückstand. Und auch aus einem geregelten Positionsspiel haben die bayrischen Außenbahnspieler sicher Vorteile gegen die genannten Außenverteidiger, wenn sie ihre Wendig- und Schnelligkeit ausspielen.

Selbstverständlich gibt es immer die Möglichkeit, dass Pep Guardiola gegen seinen Ex-Club überrascht und eine komplett neue Taktik aus dem Hut zaubert. So oder so erwarte ich ein in höchstem Maße spannendes Spiel zwischen zwei Titelfavoriten, die „leider“ schon im Viertelfinale aufeinandertreffen.