Eine Analyse vom neuen IFI-Spielanalyse Experten Sebastian Friedl zur FIFA Klub-WM:
Die europäischen Teams geben bei der Klub-WM den Ton an – Klinsmann ist von „Leader“ Harry Kane begeistert
1. Europa dominiert Wenn am kommenden Sonntag um 21:00 Uhr unserer Zeit das Finale der FIFA Klub-WM steigt, stehen sich mit Conference-League-Sieger FC Chelsea und Champions-League-Sieger Paris St. Germain zwei der europäischen Top-Teams gegenüber. Das Turnier fiel zwar für die europäischen Teilnehmer in den Zeitraum zwischen den Saisons, aber sie präsentieren sich dennoch dominierend.
2. Brasilien überrascht Eine positive Überraschung stellt für viele das Abschneiden der brasilianischen Teams dar. Sie befinden sich mitten in der Saison und sind an die heißen Bedingungen gewöhnt. U.a. deswegen konnten sie bei der Premiere der Klub-WM ihre Stärken entfalten und stellten mit Fluminense den einzigen nicht-europäischen Halbfinalisten. Zudem waren ihre Fans eine stimmungsvolle Bereicherung für das Turnier.
3. PSG setzt Maßstäbe Paris St. Germain, das erst vor wenigen Wochen in München die UEFA-Champions League gewann, bleibt das Maß der Dinge im Klubfußball. Die Franzosen dominieren den Europäischen Fußball seit Anfang des Jahres klar und sind auf jeder Position mit Weltklasse besetzt. Hervorzuheben ist das Herzstück ihres 4-3-3-Systems: das Mittelfeld-Trio aus Joao Neves, Vitinha und Fabian, die sich in ihren Fähigkeiten perfekt ergänzen. Vitinha verkörpert hierbei den modernen Spielmacher, der mit seinem Blick für freie Räume die temporeiche Offensive um Desiré Doué und Ousmane Dembelé in Szene setzt oder selbst dynamisch in diese Räume vorstößt. Joao Neves fungiert als Stabilisator, der die Balance hält und bei Ballverlusten Räume schließt. Neben den beiden Portugiesen komplettiert der Spanier Fabian mit seiner Übersicht als Stratege und Verbindungsspieler die eingespielte Pariser Formation. Das Starensemble von Real Madrid, noch in der Findungsphase mit dem neuen Trainer Xabi Alonso, bekam die PSG-Qualität im einseitigen Halbfinale schmerzhaft zu spüren.
Finalgegner FC Chelsea will dieser Qualität mit einer jungen und erfolgshungrigen Mannschaft begegnen. Der CFC hatte den vermeintlich einfacheren Weg ins Finale, glänzt aber ebenfalls mit einem starken Mittelfeld. Moises Caicedo, Enzo Fernandez und Cole Palmer sind gefordert, der Dominanz von Paris Paroli zu bieten. Herausragender Mann der Londoner im Halbfinale war der erst seit Anfang Juli spielberechtigte brasilianische Stürmer Joao Pedro, der beide Tore gegen Fluminense erzielte.
4. Trend „Außenverteidiger überladen“ Als taktischen Trend beobachte ich bei der Klub-WM ein bestimmtes Offensivverhalten der Außenverteidiger: Gerade in der Phase des kontrollierten Spielaufbaus verlassen sie ihre angestammte Position der Viererkette und überladen entweder das Mittelfeldzentrum oder den offensiven Halbraum ihrer Seite. Sehr gut zu erkennen ist dies beispielsweise bei Nuno Mendes (PSG) oder Marc Cucurella (FC Chelsea), die in Räume eindringen, die herkömmlich eher von einem offensiven Mittelfeldspieler bekleidet werden. Ich bin gespannt, ob sich dieses Verhalten auch bei einigen Teams in der neuen Bundesliga-Saison feststellen lässt.
5. „Leader“ Kane Beim Thema „Mittelstürmer“ unterstreicht Jürgen Klinsmann einmal mehr die Extraklasse von Bayerns Topstürmer Harry Kane. Der Ex- Bundes- und Bayern-Trainer gehört zur Technical Study Group der FIFA, die unter der Leitung von Trainerlegende Arsène Wenger die Klub-WM auf taktische Trends und Daten analysiert. Kane nimmt nach diesen Analysen neben seiner Abschlussqualität auch im Teamgefüge eine immer wichtigere Rolle im Kombinationsspiel der Bayern ein, auch wenn dies im Viertelfinale nicht zum Weiterkommen gegen Paris reichte. Zudem verkörpert er mit seiner nahezu unermüdlichen Arbeit gegen den Ball eine wichtige Leitfunktion für die Intensität des Defensivverbundes.