IFI Pre-Match Analyse UEFA Championsleague FC Bayern München – Inter Mailand

Die Ausgangslage

FC Bayern München

Die Bayern gehen mit einem glücklichen 3:1-Sieg gegen Augsburg – siehe strittige Gelb-rote Karte gegen Cedric Zesiger (FCA) beim Stand von 1:1 – im Rücken ins Hinspiel gegen Inter.

Inter Mailand

Inter verspielte zuletzt in Parma eine 2:0-Führung. Das Spiel endete 2:2, die Mailänder sind wie die Bayern Tabellenführer ihrer Liga. Was bei Inter auffällt: Der Kader weist mit 29,4 Jahren den höchsten Altersdurchschnitt der Serie A auf. Elf Spieler sind über 30 Jahre alt. Diese Mannschaft spielt für das Hier und Jetzt und verfügt über viel Erfahrung. Viel Erfahrung – das gilt nicht nur auf dem Platz, sondern auch auf der Trainerbank: Simone Inzaghi (49) ist seit 2010 Coach und erreichte bislang mit 2,18 Punkten (aus 203 Spielen) den besten Punkteschnitt, den je ein Inter-Trainer erreicht hat. Zum Vergleich: Bayerns Vincent Kompany ist seit 2020 Trainer.

Die Personalsituation

FC Bayern München

Die Bayern werden von großen Verletzungsproblemen geplagt: In der Innenverteidigung und, das ist besonders bitter, durch den frischen Ausfall von Jamal Musiala seit Freitag in Augsburg. Der FC Bayern muss wohl bis Saisonende ohne Musiala planen. Um Inters Abwehrriegel zu brechen, wären seine genialen, individuellen Momente ein besonders wichtiger Faktor der Offensivstrategie der Bayern gewesen.

Inter Mailand

Bis auf Kristjan Asllani (Gelbsperre), Mehdi Taremi (Adduktorenbeschwerden) und Denzel Dumfries (Beinbeuger) muss Inter keine nennenswerten Ausfälle beklagen.

Der Spielstil

FC Bayern München

In der Bundesliga prägt Ballbesitzfußball den Spielstil der Bayern. In der Champions League agieren die Münchner auch anders: Hier zeigen sie mehr Anteile an Underdog Pressing und an Heavy Metal.

Bayern in der Champions League mit extrem hohem und druckvollem Pressing:


Inter Mailand

Anders als in der Serie A, spielen die „Nerazzurri“ in der Königsklasse mit deutlich weniger Ballbesitz und deutlich mehr Chipbällen sowie langen Bällen und Konterfußball.

Inter international mit sehr tiefem Pressing, aber trotzdem sehr vielen hohen Ballgewinnen.


Die Stärken von Inter Mailand

Die Inter-Spieler sind „Monster“ im Zweikampf am Boden, und sogar noch besser in der Luft. Die Mannschaft zählt in puncto Stabilität in der Defensive zu den besten in der Königsklasse. Das belegt der Indikator „Überspielte Spieler durch den Gegner“. Auf der anderen Seite gibt es nur wenige Mannschaften, die häufiger in den gegnerischen Strafraum kommen als Inter Mailand. Zudem verzeichnet keine Mannschaft mehr offensive Balleroberungen als Inter. Die Mailänder Stärken konzentrieren sich auf die linke Seite und aufs Zentrum.

Besonderheit der Mailänder

Inter ist einer der Mannschaften mit der durchschnittlich tiefsten Anlaufhöhe. Das heißt, die Mailänder setzen vorwiegend auf eine sehr kompakte und tiefe defensive Grundordnung, die dem Gegner besonders wenig Räume zwischen den einzelnen Mannschaftsteilen für ein kontrolliertes Kurzpassspiel eröffnet. Auf genau die Spielweise „kontrolliertes Kurzpassspiel“ setzen die Bayern. Trotz der zumeist tiefen Positionierung im Spiel gegen den Ball und des geringsten ausgeübten Drucks im Anlaufverhalten ist Inter die Mannschaft mit den meisten hohen Ballgewinnen. Das ist alles andere als selbstverständlich und sollte die Bayern unbedingt aufhorchen lassen. Mit ihrer nicht eingespielten Abwehrlinie droht Gefahr, wenn Inter situativ in ein Angriffspressing übergeht. Denn dann sind die Italiener sehr effektiv! Eine wichtige Grundtugend des Fußballspiels beherrschen die Inter-Spieler jedoch unabhängig von der Pressing- und Ballhöhe wie keine zweite Mannschaft im aktuellen Wettbewerb: das Führen und Gewinnen von Zweikämpfen sowohl am Boden als auch in der Luft.

Im Vergleich

Bayern ist eine der Mannschaften mit dem höchsten Anlaufverhalten, Inter eine der am tiefsten stehenden Mannschaften in der aktuellen Champions-League-Saison.

Während Bayern München auch in der Champions League häufig das aus der nationalen Liga gewohnte Ballbesitzspiel aufzieht, adaptieren die Italiener ihre Spielweise viel deutlicher an den internationalen Wettbewerb. In der Serie A gibt es keine Mannschaft, die mehr über geordneten Ballbesitz und durchaus anspruchsvolle Laufmuster agiert. In der Champions League hingegen steigert Inter den Anteil an direkten Anspielen in die Tiefe und Kontersituationen. Das deutet auch darauf hin, wie taktisch variabel die Italiener auf unterschiedliche Spielstände reagieren können. Zudem verfügen sie über eine hoch qualitative Auswechselbank.

Fazit

Die Vorzeichen für die Bayern stehen nicht gut. Die Hürde Inter ist eine sehr hohe auf dem Weg ins „Finale Dahoam“. Der FC Bayern hat definitiv nicht den besten Zeitpunkt erwischt, um sich mit den defensiv gefestigten und offensiv gefährlichen Italienern zu messen. Allein die personelle Besetzung der Viererkette in der Abwehr mit voraussichtlich Konrad Laimer – Min-Jae Kim – Eric Dier – Josip Stanisic ist nicht die Wunschlösung von Trainer Kompany, um es mit der aktuell stärksten Offensive der Serie A aufzunehmen. Und dann hat der Cheftrainer der Bayern auch noch eine knifflige Aufgabe für die Offensivtaktik zu lösen: Gegen das italienische Abwehrbollwerk muss er sich etwas Besonderes einfallen lassen. Keine Mannschaft lässt nicht nur weniger Gegentore zu als die Mailänder, die Abwehr wird auch am seltensten von allen Champions-League-Teams überspielt und die Qualität an zugelassenen Torschussmöglichkeiten ist mit Abstand die geringste im gesamten Königsklassenfeld. Damit wird deutlich, wie schwerwiegend der Ausfall von Jamal Musiala mit seiner herausragenden individuellen Qualität, seiner Dynamik und seiner Torgefährlichkeit ist. Das Fehlen des Elements Musiala wird weder ein Thomas Müller auf Abschiedstour noch ein Serge Gnabry aufwiegen können.

Nichtdestrotz erwartet uns ein interessantes, taktisch geprägtes Duell in München. Welche kreativen Lösungen finden die Bayern, um den italienischen Defensivriegel zu brechen? Welche Nadelstiche kann Mailand gegen die improvisierte bayerische Abwehrreihe tatsächlich setzen? Gelingen den Italienern in der Allianz Arena hohe Ballgewinne und gefährliche Anspiele in die Box? Für die Münchner wird es entscheidend sein, vor allem im Hinspiel zu Hause bei eigenem Ballbesitz geduldig zu bleiben. Sie dürfen nicht versuchen, ein positives Ergebnis mit hohem Risko in der Restverteidigung zu erzwingen. Schließlich wartet noch ein schweres Rückspiel in San Siro.

MARKUS BRUNNSCHNEIDER

Leitung Spiel- und Taktikanalyse, Scouting und Kaderplanung
brunnschneider@international-football-institute.com